Beitrag von Monika Walter, geb. Bock
Ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt der Siedlung Laineck war das 1948 von Frau Eugenie Bock gegründete Kolonialwaren¬geschäft im Haus Bühlweg 33. Man kann behaupten, dass dieses Geschäft – heute würde man sagen „Tante-Emma-Laden“ – für die Anwohner eine große Wohltat war. Viele Siedler, die nur über ein geringes Einkommen verfügten, durften die Bezahlung ihrer Einkäufe zum Lebensunterhalt stunden – Tag für Tag, Monat für Monat und Jahr für Jahr. Frau Bock half, wo sie konnte. Heute kann man sich das gar nicht mehr vorstellen!
In diesem ca. 20 qm großen Laden gab es nahezu alles, vom Hosengummi bis zum Bier¬schinken. Die Lebensmittel waren in Säcken oder Schubkästen gelagert, Salz, Mehl, Zucker, Nudeln, Reis, Hülsenfrüchte usw. wurden nach gewünschter Menge abgewogen. Süßigkeiten wie Bonbons wurden in großen Gläsern aufbewahrt. Milch gab es offen, in Kannen abgemessen. Selbst gemachte marinierte Heringe brachte man in Blechgefäßen nach Hause. Selbst Ziegenmilch wurde frisch gemolken und zu einem Ziegenkäse verarbeitet. Jährlich fand eine Hausschlachtung von Schwein und Schaf statt. Starre Ladenöffnungszeiten und Ruhepausen kannte man hier noch nicht.
Von einem Kühlschrank war noch keine Rede, stattdessen stand im Keller ein großer Eisschrank. Wenn Bier und Limo geliefert wurde, brachten die Lieferanten große Eisblöcke mit, 60 cm bis 1 m lang und ca. 30 cm im Durchmesser, die mit einem Eispickel angehackt und auf der Schulter, auf der eine Decke lag, in den Keller getragen wurden.
Im Laufe der Zeit kamen natürlich technische Errungenschaften hinzu, wie beispielsweise die erste elektrische Wäscheschleuder in der Siedlung Laineck, die im Schupfenanbau aufgestellt wurde. Für die Siedlerhausfrauen war dies ein Höhepunkt: sie brachten in Wannen und Kübeln auf einem Leiterwagen die gewaschene, nasse Wäsche zum Schleudern. Der Preis lag damals bei 10 oder 20 Pfennigen, und es hieß immer „stopfe die Wäsche fest ´rein, damit es nicht so teuer wird“. Natürlich traf man sich bei dieser Gelegenheit auch immer zu einem kleinen Plausch.
Den Siedlern mit all ihren Problemen standen in diesem Haus die Türen stets offen; oft mussten die persönlichen Belange der eigenen Familie von Frau Bock dahinter zurück¬stehen. Ungefähr seit dem Jahr 1961 wurde sie von ihrem Patenkind Inge unterstützt, die diesen Laden bis 1979 mitgeführt hatte. Die Kräfte von Frau Eugenie Bock ließen langsam nach, sie verstarb im Jahr 2002 im Alter von 97 Jahren.